Rechtsöffnung (definitive/provisorische)

Verfahren. Rechtsvertretung. Kosten

Was ist Rechtsöffnung in der Schweiz? Vereinfacht gesagt stellt sie eine Möglichkeit dar, in einem schnellen und verhältnismässig günstigen Gerichtsverfahren Geldforderungen zu vollstrecken. Nachfolgend gehe ich auf die Verfahrenseinzelheiten ein und erwähne einige aus meiner Berufserfahrung als Rechtsvertreter gewonnene «Tipps und Tricks», deren Befolgung ich Gläubigern und Schuldnern empfehlen würde.

Vollstreckung vor dem Rechtsöffnungsverfahren

Was tut man in der Schweiz, wenn man das Geld aufgrund einer fälligen Forderung eintreiben will und der Schuldner nicht bereit bzw. gewillt ist, diese freiwillig zu bezahlen?

Dem Gläubiger steht in unserem Rechtssystem die Option zur Verfügung, seine Geldforderung im Betreibungsverfahren geltend zu machen. Dabei bedarf das Betreibungsbegehren (vgl. Link zum Musterformular) keiner Begründung. Das zuständige Betreibungsamt (eine Verwaltungsbehörde) prüft lediglich, ob entsprechende formelle Voraussetzungen erfüllt sind. Falls dies der Fall ist, fordert es den vermeintlichen Schuldner per Zahlungsbefehl auf, die Geldforderung entweder zu tilgen oder sie zu bestreiten.

Hervorzuheben ist, dass nicht nur Schweizer, sondern auch ausländische Gläubiger (Ausländer in der Schweiz und im Ausland sowie ausländische juristische Personen z.B. aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, Belgien, Russland, den USA) das Betreibungs- und Rechtsöffnungsverfahren in Anspruch nehmen können. Voraussetzung in jedem Fall ist der relevante Bezug des Schuldners zur Schweiz.

Zahlt der Schuldner das Geld, ist das Verfahren damit beendet. Ihm steht aber auch zu, gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag (eine Art «Einsprache», fr. opposition, it. opposizione) zu erheben. Dieser – genau gleich wie beim Betreibungsbegehren – bedarf keiner Begründung, ist aber innert einer Frist von zehn Tagen unbedingt zu erheben.

Rechtserheblich ist, dass der Rechtsvorschlag den Stillstand des Vollstreckungsverfahrens zur Folge hat. Will der Gläubiger sein Geld nach wie vor, muss er (wieder) aktiv werden und den erhobenen Rechtsvorschlag gerichtlich beseitigen zu lassen.

Zur Beseitigung des Rechtsvorschlages des Schuldners steht dem Gläubiger in der Schweiz zwei Arten von Klagen zur Verfügung:

  1. Anerkennungsklage («gewöhnliche» Klage des ordentlichen Zivilprozesses);
  2. Klage bzw. Gesuch um definitive oder provisorische Rechtsöffnung im summarischen (vereinfachten) Verfahren.

Das Rechtsöffnungsbegehren stellt eine spezielle Klage nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (nachfolgend SchKG) dar.

Tipp: Falls der Gläubiger den Rechtsvorschlag sowohl im ordentlichen Zivilprozess als auch im Rechtsöffnungsverfahren beseitigen lassen kann, ist Letzteres der Anerkennungsklage fast immer vorzuziehen. Denn das Rechtsöffnungsverfahren hat gegenüber dem ordentlichen Zivilprozess den Vorteil, dass es i. d. R. schneller und günstiger ist (unten mehr).

Wie verläuft der Prozess?

Sachliche und örtliche Zuständigkeit

Der Schuldner hat das Begehren beim Bezirksgericht einzureichen, in dessen Gerichtsbezirk der Betreibungsort (Wohnsitz/Sitz des Schuldners in der Schweiz oder Betreibungsort des Arrestes) liegt.

Sachlich ist das Einzelgericht im summarischen Verfahren zuständig.

Kostenvorschuss, Gerichtskosten und Parteientschädigung

Der Gläubiger hat die Gerichtskosten vorzuschiessen. Wird das Begehen (teilweise) gutgeheissen, kann die (teilweise) Erstattung der Gerichtskosten vom Schuldner verlangt werden.

In einem meiner Fälle, in dem ich den Gläubiger vertrat, belief sich der Gerichtskostenvorschuss bei einer Forderung von knapp CHF 9’800.00 auf lediglich CHF 300.00.

Beim Streitwert bis CHF 1’000’000.00 darf die Gerichtsgebühr CHF 2’000.00 nicht übersteigen. Zum Vergleich: Das ordentliche Verfahren kann ein Vielfaches an Kosten verursachen, z.B. im ordentlichen Verfahren im Kanton Zürich kann die Gerichtsgebühr mit demselben Streitwert auf mehr als CHF 20’000.00 belaufen; im Kanton Zug auf ca. CHF 25’000.00.

Die Spruchgebühren hängen vom Streitwert ab und sind – verglichen mit dem ordentlichen Zivilverfahren – verhältnismässig gering (vgl. oben). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Kostenfragen nicht in kantonalen Erlassen (auch wenn das Verfahren vor kantonalen Gerichtsinstanzen stattfindet), sondern in der Gebührenverordnung zum SchKG (Erlass des Bundes) geregelt sind.

Die unterliegende Partei kann verpflichtet werden, die obsiegende Partei für ihre Umtriebe (insb. für die Parteikosten) zu entschädigen. Diese Entschädigung wird nach kantonalem Recht bemessen. Im erwähnten Fall musste die gegnerische Partei meine Parteikosten übernehmen.

Bei Prozessarmut (d.h. wenn der Gläubiger mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht in der Lage ist, den Kostenvorschuss zu leisten) kann beim Gericht ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt werden.

Das A und O – Rechtsöffnungstitel

Damit das Gericht dem Begehren entsprechen kann, ist ein sogenannter Rechtsöffnungstitel unabdingbar. Was versteht man darunter?

Rechtsöffnungstitel ist eine Urkunde, welche die Forderung des Gläubigers bzw. die Schuld des Schuldners verkörpert. In den meisten Fällen handelt es sich um ein (Schweizer oder ausländisches) Gerichtsurteil oder einen Vertrag. Die folgende Auflistung zeigt die häufigsten Beispiele, ist jedoch nicht abschliessender Natur:

  • vollstreckbare Gerichtsurteile und Entscheide von Schiedsgerichten, in denen der Schuldner zur Zahlung einer Geldsumme an den Gläubiger verpflichtet wird (dabei kann es um Schweizer oder aber auch um ausländische Urteile handeln);
  • gerichtlich anerkannte Vergleiche;
  • gerichtliche Klageanerkennungen;
  • vollstreckbare öffentliche Urkunden;
  • einige Entscheide schweizerischer Verwaltungsbehörden;
  • private Verträge und einseitige Zahlungsverpflichtungen, in denen sich der Schuldner unterschriftlich verpflichtet, dem Gläubiger einen bestimmten Geldbetrag zu bezahlen (Schuldanerkennung):
    • Darlehensvertrag;
    • Kaufvertrag (betreffend den Kaufpreis);
    • Mietvertrag (betreffend den Mietzins);
    • Arbeitsvertrag (betreffend den Lohn und evtl. allfällige Boni);
    • Werkvertrag (betreffend den Werklohn);
    • Unterhaltsvertrag;
    • Konventionalstrafen;
    • Vergleich;
    • Bürgschaft.

Der Rechtsöffnungstitel muss gewissen Anforderungen entsprechen. Daher wird im Prozess am meisten gestritten, ob ein gültiger Titel vorliegt. Ohne diesen wird das Begehren abgewiesen.

Abhängig davon, welcher Rechtsöffnungstitel vorliegt, unterscheidet man zwischen der definitiven und provisorischen Rechtsöffnung. Diese Unterscheidung zieht erhebliche Rechtsfolgen nach sich.

Schnell und günstig, aber streng

Es findet das summarische Verfahren statt. Einem Nichtjuristen sagt das womöglich nicht viel. Folgende Eigenschaften zeichnen das summarische Verfahren aus:

  • Das Gericht befindet über das Gesuch um Rechtsöffnung praktisch immer in einem schriftlichen Verfahren. Die mündliche Gerichtsverhandlung findet nur in Ausnahmefällen statt.
  • Für den Schriftenwechsel und Vornahme anderer Verfahrensschritte gelten verkürzte Fristen (in vielen Fällen, in welchen ich Schuldner vertrat, gab uns das Gericht für unsere Stellungnahme auf die Klage des Gläubigers lediglich sieben Tage). Die Fristerstreckung ist nicht immer möglich;
  • Es werden nur Urkunden als Beweismitteln zugelassen. In einigen Ausnahmefällen können auch andere Beweismittel zugelassen sein;
  • Dem Rechtsöffnungsverfahren ist strikter Formalismus immanent. Dieser bedeutet, dass die Partei wegen kleiner Fehler (z.B. infolge fehlender gebührender juristischer Vorbereitung) unterliegen kann (unten mehr).

Vollstreckung nach dem Rechtsöffnungsverfahren

Bei definitiver Rechtsöffnung

Bei Gutheissung des Gesuchs hebt das Gericht den Rechtsvorschlag, welches bis anhin die Vollstreckung der Geldforderung hemmte, endgültig auf. Folglich kann der Gläubiger gestützt auf den rechtskräftigen definitiven Rechtsöffnungsentscheid beim Betreibungsamt die Fortsetzung der Betreibung verlangen.

Bei provisorischer Rechtsöffnung

Liegt hingegen (bloss) provisorische Rechtsöffnung vor, kann der Schuldner noch innert 20 Tagen mit der Aberkennungsklage das ordentliche Gericht anzurufen. Wird keine erhoben oder wird die Klage abgewiesen, wird die provisorische Rechtsöffnung definitiv und bewirkt dieselben Rechtsfolge wie die Definitive.

Ob die Aberkennungsklage sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Erfahrungsgemäss erweist sich die Erhebung der Aberkennungsklage nach der erfolgreichen Erteilung provisorischer Rechtsöffnung meistens als chancenlos.

Einige Tipps und Tricks

Schweizer Rechtsvertretung

Man kann nicht oft genug betonen, dass das Rechtsöffnungsverfahren sehr formalistisch ist. Daher muss Ihre Rechtsvertretung über ausgezeichnete Kenntnisse des Schweizer Prozessrechts verfügen.

In einem meiner Fälle vertrat ich einen Schuldner, dessen Schuld tatsächlich bestand. Nichtdestotrotz konnte ich das Gericht erfolgreich davon überzeugen, dass eins der wichtigsten Beweismittel den formellen Anforderungen nicht entspricht. In der Folge wurde das gegnerische Gesuch um provisorische Rechtsöffnung abgewiesen. Zum Pech des Gegners wurde er zwar durch eine Kanzlei in Zürich, aber dennoch durch einen ausländischen Rechtsanwalt (d.h. ohne Schweizer Jurahintergrund) als Mitarbeiter vertreten.

Der Kanton Zürich stellt ein Musterformular des Rechtsöffnungsgesuchs zur Verfügung (vgl. Link). Angesichts der formalistischen Natur des Verfahrens erscheint das Musterformular aber eher als zweitrangig. Viel wichtiger ist die massgeschneiderte juristische Vorbereitung und Begleitung des Falls.

Verteidigungsmöglichkeiten und deren Antizipation

Das Begehren wird dem Schuldner zur Stellungnahme übermittelt. Dessen Verteidigungsmöglichkeiten hängen vom Rechtsöffnungstitel ab.

Besonders bei Schiedsgerichtsentscheiden sowie ausländischen Gerichtsurteilen steht es dem Schuldner zu, zusätzlich zur Tilgung, Stundung und Verjährung weitere Einwendungen (Einreden) zu erheben, welche der Anerkennung des Schiedsgerichtsentscheids bzw. ausländischen Gerichtsurteils im Wege stehen würden. Im Fall von Verträgen kann geltend machen, dass die Schuldanerkennung nicht wirksam sei (z.B. weil eine Vertragsbedingung nicht erfüllt wurde).

Soweit möglich, soll der Gläubiger die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners vorhersehen. Von einer guten Rechtsvertretung ist das auch zu erwarten.

Aufgrund verkürzter Fristen ist es deshalb ratsam, sich auf das Verfahren vorzubereiten, soweit dessen zukünftige Wahrscheinlichkeit für die eine oder die andere Partei antizipierbar wird.

Schiedsgerichtsverfahren vs. Rechtsöffnung

Nicht selten übertragen die Parteien ihre allfälligen aus einem Vertrag stammenden Streitigkeiten einem Schiedsgericht. Dieses entscheidet über die Streitsache anstelle eines staatlichen Gerichts.

In meisten Fällen verunmöglicht ein laufendes Schiedsgerichtsverfahren das Rechtsöffnungsverfahren nicht. Je nach der Rechts- und Faktenlage kann das Gesuch um Rechtsöffnung während (und manchmal sogar anstatt!) des Schiedsgerichtsverfahren sehr empfehlenswert sein.

Arrestverfahren

Im Arrestverfahren entscheidet das Schweizer Gericht, ob Vermögenswerte des (in- oder ausländischen) Schuldners mit Arrest (provisorische Beschlagnahme) belegt werden können. Je nach der Rechts- und Faktenlage kann das Arrestgesuch zusätzlich zu jenem um Rechtsöffnung äusserst ratsam sein.

Wie kann ich Ihnen helfen?

Besser, den Streit zu vermeiden

Der beste Gerichtsprozess ist derjenige, der nie stattgefunden hat. Klar ist aber auch, dass man das Risiko eines Rechtsstreits nicht vollständig aus der Welt schaffen kann.

Was aber in unserer Macht liegt, ist die Option, den Vertrag (soweit es sich um vertragsrechtliche Angelegenheiten handelt) so auszuformulieren, dass er jeden Schritt der Vertragserfüllung mit gebührender Klarheit regelt. Erfahrungsgemäss erfüllen die Vertragsparteien unter dieser Bedingung ohne Weiteres ihre Pflichten, sodass kein Raum für Streitigkeiten bleibt.

Dabei unterstütze ich Sie bei juristischer Ausfertigung klarer Verträgen.

Rechtsvertretung

Ist der Streit wegen einer Geldforderung bereits entflammt, übernehme ich als Schweizer Jurist Ihr Mandat und vertrete Sie (sei es als Gläubiger oder aber als Schuldner) im Rechtsöffnungsverfahren in der ganzen Schweiz (und ggf. im Schiedsgerichtsverfahren oder Arrestverfahren).

Herr Marad Widmer, LL.M. (Genf), Managing Partner der Widmer Strategy GmbH. Studium: Bachelor und Master im Schweizer Recht (Universitäten Bern und Zürich). Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch und Italienisch. Mitglied des Schweizerischen Juristenvereins (SJV/SSJ/SSG). Autor des Portals „Business in der Schweiz“.